Die Anfänge
Mit acht Mitgliedern begann 1872 das offizielle Musikleben in Ahausen. Doch schon vor diesem Datum gab es bei den vielen dörflichen Veranstaltungen rund um das bäuerliche Jahr Musik: In jeder Gemeinde kannte man drei oder vier Leute, die sich mühsam ihr Repertoire durch Nachspielen und auch Improvisieren beibrachten. Und sie wurden geholt, weil die Feste mit Musik eben doch schöner waren und selbstverständlich stellte man kaum Ansprüche an Perfektion oder „Outfit“. Die ersten Musikanten waren also konkurrenzlos, unvergleichlich.
Mit dem Zusammenschluß der wenigen Musikanten zur Musikgesellschaft 1872 unter der Leitung von Wilhelm Landolt war Ahausen die neunte Musikkapelle bei der allgemeinen Gründungswelle der Musikvereine am nördlichen Bodenseeufer zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Zusammenschluß zur Musikgesellschaft begannen nachweisbare Regularien, die sich im Lauf der Zeit als Brauch im heimatlichen Jahreszyklus verankerten: bei der Ausgestaltung gemeindlicher und kirchlicher Feste und immer wieder auch dabei, wesentliche Stationen eines Menschenlebens musikalisch zu begleiten.
Die ersten Dirigenten
In der Broschüre, die der Musikverein Ahausen im Jahr 1972 zu seinem 100sten Geburtstag herausgab, ist das Auf und Ab -und damit auch das unterdrückte Weh und Ach dieses Vereins im Beitrag von Karl Walter Kleiner aufgeführt. Die dort skizzierten Vereinsjahre erinnern an vier Dirigenten: so an Wilhelm Landolt, der von 1872 bis 1886 der neugegründeten Musikgesellschaft die ersten entscheidenden Impulse gab; dann an Emil Müller, der die Kapelle neu formierte und 1919 aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat.
Mit Eugen Bechinger, der seit 1906 selbst aktives Mitglied war, bekam die Musikgesellschaft einen Dirigenten, der in den Kriegsjahren (1914 bis 1918) eine beachtenswerte Karriere bei Militärkapellen machte und über fünf Jahre bei der Bordkapelle des Kriegsschiffes „Westfalen“ mitwirkte.
Doch zunächst sah es 1919 so aus, als würde das Musikleben in Ahausen zusammenbrechen: Ältere Mitglieder wollten keine neuen Wege mehr beschreiten; es fehlten in den schlimmen Nachkriegsjahren die finanziellen Mittel, die nötigsten Instrumente zu beschaffen oder dringende Reparaturen am bestehenden Instrumentarium vorzunehmen. Um die drohende Auflösung abzuwenden, begannen nun Eugen Bechinger und Josef Diebold, die Musikgesellschaft in einem Musikverein umzuwandeln. Um möglichst viele Mitglieder zu werben, die als Passivmitglieder den Fortbestand des Vereines sichern sollten, scheuten sich beide nicht, in zeitraubenden Hausbesuchen die Mitbürger zu überzeugen.
Schwierige Zeiten
Beziehungspflege zu Nachbarvereinen, gesellige Treffen, erste Verbandsfeste, Zapfenstreiche, Festumzüge, Preiswettspiele und die Gestaltung der verschiedensten Feiern waren in den kommenden Jahren Schwerpunkte und wohl auch immer Höhepunkte des Musiklebens dieser Gemeinde. Was diese Veranstaltungen wohl jeweils bei den Zuhörern bewirkten, besonders in den schweren Zeiten der Inflationsjahre, den Krisen im Zusammenhang der Weltwirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit mag man erahnen. In Zeiten, als Rundfunksendungen noch in den Kinderschuhen steckten und Musik den Alltag noch nicht aus unzähligen Kanälen „berieselte“, war jedes Konzert etwas Besonderes, ein kommunales Ereignis.
Tanzabteilung
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Vereinsleben zögerlich. Aber schon 1951 schnitt die Kapelle auf dem Volksmusikverbandsfest in Immenstaad mit der note „sehr gut“ ab. Bis 1961 blieb Eugen Bechinger Dirigent: 42 Jahre Dirigententätigkeit prägten zweifellos den Stil dieser Kapelle, und für diesen Verdienst dankte man ihm bei einer Gemeindefeier, in deren Verlauf er zum Ehrendirigent ernannt wurde.
August Weber, von 1961 bis 1979 Dirigent des Ahauser Musikvereins, legte besonderes Gewicht auf die Förderung und Ausbildung von jungen Musikanten. 1968 bildete sich aus den Reihen der aktiven Musiker unter der Leitung von Oskar Bechinger eine „Tanzabteilung“, die als „Ahauser Musikanten“ recht bekannt wurde.
Ausgezeichnet!
Das für den Musikverein Ahausen herausragendste Ereignis dieser Jahre war wohl die 100-Jahrfeier vom 22. bis 24. Juli 1972: Hochsommerliche Temperaturen beim Erstellen des Festzeltes bei der unteren Mühle, die 1200 Gäste während des Festbanketts, die große Zahl der Prominenten an deren Spitze der Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Karl Schieß, dann das Konzert des Patenvereins Bermatingen, das Flügelhorn als Geburtstagsgeschenk der Gemeinde an den Verein – nur einige Ereignisse, die der damalige Protokollführer für erwähnenswert hielt.
Am 2. September 1977 wurde der Musikverein Ahausen mit der „Pro MusicaPlakette“ ausgezeichnet, die der Bundespräsident jeweils den Vereinen verleihen läßt, die eine lückenlose einhundertjährige Geschichte nachweisen können. Der damalige Innenminister Schieß, der die Urkunde und Plakette an den Vorsitzenden des Musikvereins, Fridolin Kiesel, überreichte, umriß in seiner Ansprache den hohen Stellenwert der Musik als kultureller Beitrag für das Gemeindeleben.
Weitere Dirigenten
Jeder Dirigentenwechsel verlangt Umstellungen und oft Neuorientierungen. Beim traditionellen Weihnachtskonzert des Musikvereins wurde August Weber vom Geschäftsführer Boedecker des Blasmusikverbandes verabschiedet und geehrt. Als 1979 Helmut Keser neuer Dirigent wurde, hatte er schon jahrelang die Ausbildung der Jungmusiker in Ahausen geleitet. Während seiner Dirigententätigkeit feierte der Musikverein Ahausen sein 110 jähriges Vereinsjubiläum; die Bürger gestalteten noch das „Bachfest“; man weihte das neue Gerätehaus der Feuerwehr ein und wirkte bei vielen Festen maßgeblich mit.
1987 folgte Hans Unterweger als Dirigent, von 1988 bis Juli 1991 August Maurer; anschließend bis Oktober 1992 Wolfgang Geißelhardt; vom Oktober 1992 bis Spätherbst 1995 Albert Vogler, dann Andrea Amann, die mit 21 Jahren die jüngste musikalische Leiterin eines Blasorchesters geworden war und mit viel Begeisterung diese Tätigkeit bis Spätherbst 1996 ausübte. Von 1996 – 2001 dirigierte Roland Bernhard, von 2001 ab übernahm Wolfgang Geißelhardt erneut die musikalische Leitung des Vereins. Er steckte in den Jahren bis 2009 sehr viel Kraft und Energie, nicht nur in den Verein, sondern auch in die Jugendausbildung, die ihm sehr am Herzen lag. Seit November 2009 ist Martin Schmid der neue Dirigent des Musikvereins mit derzeit 47 aktiven Musikanten.
Mitten drin, statt nur dabei
Wenn Karl Kleiner 1972 in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Musikverein Ahausen stolz vermerkte, daß die Musikkapelle während dieser Zeit von nur vier Dirigenten geleitet wurde, darf bei dem raschen Dirigentenwechsel in den letzten 35 Jahren zweifellos der Musikkapelle selbst ein besonderes Kompliment gemacht werden: ein Kompliment wegen des Durchhaltevermögens, auch an die Musikbegeisterung und das Können der Aktiven. Wer die Liste der Aktiven durchblättert, der findet wiederkehrende Familiennamen, die das Musikleben maßgeblich mitgestalten. Schließlich mag das Zusammenhalten eines Vereins immer auch vom umsichtigen Handeln der Vorstandschaft geprägt sein, von der Behutsamkeit, dem Beharrungsvermögen, dem Sachverstand und dem kaum beschreibbaren Idealismus, lauter Attribute, ohne die ein gesundes Gemeinschaftsleben eben nicht möglich ist.